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Jetzt kommen anscheinend wieder Bestrebungen hoch, die alten Verbrenner mit klimaneutralem synthetischen Sprit weiterlaufen zu lassen. Auf den ersten Blick scheint das ja eine genial einfache Lösung zu sein. Warum ist da sonst noch niemand drauf gekommen? Wenn man sich etwas näher mit demThema beschäftigt hat, dann sieht das Ganze meines Erachtens nach leider nicht mehr so genial aus.
www.zdf.de/politik/berlin-direkt/berlin-...august-2021-100.html
.. Wir wollen mehr Freude am Erfinden als am Verbieten in unserem Land ...
In dem Verbrennungsmotor können wir auch synthetisches Benzin verbrennen. Benzin das mit erneuerbarer Energie in Chile produziert wird. Und das müssen wir auch, denn wir haben ja Millionen Autos auf unseren Straßen. Wenn wir warten, bis die alle durch elektrische Autos ersetzt sind, dann haben wir die Zeit verloren. Wir können also sehr viel schneller mit Technologieoffenheit und mit dem Vertrauen auf Ingenieurwissenschaftliches Know How Erfolge erzielen.
Hinsichtlich Technologieoffenheit gab es eigentlich nie irgendwelche Einschränkungen. Nur was die Förderung angeht, da sind bei uns sicher auch schwerwiegende Fehler gemacht worden. Und ob es Sinn machen würde in Chile synthetischen Sprit für Deutschlands Verbrenner zu produzieren, das wage ich doch stark zu bezweifeln. Zu dem, was er da an "Vertrauen auf Ingenieurwissenschaftliches Know How" propagiert, da kommen bei mir direkt wieder Erinnerungen an den einmal praktizierte Glaubensverbreitung zur Kunst der Goldmacherei auf. Synthetischer Sprit ist ein alter Hut. Es gibt dazu seit geraumer Vergangenheit zahlreiche gut dokumentierte Untersuchungen, die auch jedem leicht zugänglich sind. Das Prinzip, nach dem das Zeug hergestellt wird, ist immer das Gleiche. Ich habe eine Untersuchung gefunden die einen Kostenvergleich zu diversen Herstellungsverfahren beinhaltet und bei der vor allem einmal ziemlich deutlich dargestellt wird, welch geradezu riesige Ressourcen für den Betrieb von einem Verbrenner einfach nur ungenutzt in die Umwelt gepustet werden müssen. Zu finden ist die hier: www.sfv.de/pdf/Report_000700_ZSW_CO2_to_MeOH_LQ2.pdf Die Untersuchunggsergebnisse sind so zusammengefasst, dass man die auch ohne großartige Chemiekenntnisse verwerten kann. Die Untersuchung bezieht sich hauptsächlich auf die Herstellung von synthetischem Methanol mit CO2 aus der Luft. Die Herstellung von synthetischem Benzin oder synthetischem Diesel funktioniert vom Prinzip her aber genau so. Von der Energiebilanz her dürfte es da keinen nennenswerten Unterschied geben. Die Preise zu den Kostenrechnungen sind schon etwas älter. An den Verhältnissen der Kosten zueinander zueinander dürfte sich aber nichts wesentliches geändert haben, was man auch leicht nachprüfen kann.
Ich fasse das einmal zusammen.
Man braucht nur Luft, Wasser und genug Energie. Die Energie für das Methanol oder das Benzin bringt durch Elektrolyse erzeugter Wasserstoff mit. Das CO2 wird zwar auch noch mit Energiezufuhr aus der Luft „gefiltert“ oder als Abfallprodukt von irgendeinem Prozess entnommen, das trägt aber nur zur Verflüssigung der Zutaten bei. Der dazu eingesetzte Energieanteil geht verloren. Von daher sind oft gelesene Sätze wie -Sprit aus CO2- eigentlich ziemlich missverständlich.
Zuerst einmal der Kostenvergleich zu den verschiedenen Herstellungsverfahren, Stand 1999.
Noch interessanter wird es dann, wenn man sich die Gesamteffizienz in der Systemkette anschaut.
1. CO2-Anreicherung aus der Luft: 3,6 kWh/l MeOH
2. Elektrolyse und Synthese: 7,58 kWh/l MeOH
3. Transport des MeOH: 0,243 kWh/l MeOH
4.Verteilung zu den Tankstellen: 0,009 kWh/l MeOH
Zur Herstellung von 1l Methanol sind damit etwa 11,432 kWh erforderlich. Mit einem Energieinhalt von 4,378 kWh/l ergibt sich die energetische Effizienz von 38%. Bei der Gesamtsystemeffizienz von 9% ist auch noch der Wirkungsgrad des Autos mit Verbrennungsmotor eingerechnet. Der Wert ist in Verbindung mit der E-Mobilität interessant, weil Elektromotore ja einen viel höheren Wirkungsgrad als Verbrennungsmotore haben. Wenn die Energie dann noch von einem Akku geliefert wird ergeben sich da ziemlich große Unterschiede beim Vergleich der entsprechenden Gesamtbilanzen.
Dann die daraus resultierenden Spritkosten. Stand 1999 und in DM.
Grundsätzliches hat sich an den Verhältnissen seit dem nichts geändert. Der Produktpereis von Benzin oder Diesel liegt derzeit bei um die 50-60 Cent. Einen Liter synthetischer Kraftstoff kostet derzeit etwa
4,50 Euro in der Herstellung
. Ich kenne auch keine seröse Begründung, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas wesentliches ändern könnte.
Ich denke einmal, die Spritkosten würden nur wenige bezahlen können, zumal man ja noch davon ausgehen muss, dass der synthetische Sprit irgendwann auch wie der herkömmliche Sprit versteuert werden muss.
Hergestellt werden muss das Zeug ja auch noch. Da stellt sich zuerst die Frage, was man an zusätzlicher Kraftwerksleistung bräuchte, wenn man damit dann den Sprit für unsere Verbrenner umweltneutral herstellen würde. Das lässt sich ziemlich einfach einmal grob durchkalkulieren. Bei einem Bundesverbrauch von etwa
47.000 Millionen Liter/Jahr
an Benzin und Diesel kommt man auf eine Dauerleistung von etwa 47.000 Mio L/8760h*~10000Wh/L =54GW, die sozusagen ständig durch die Autotanks fließt. Die müssten über zusätzliche Kraftwerke in Form von synthetischem Sprit mit einem Wirkungsgrad von etwa ~40% generiert werden. Man bräuchte dazu etwa 54.GW/0.4=135 GW Dauerleistung. Die müsste man zu der derzeit in Deutschland installierten Kraftwerksleistung
von 225GW
zusätzlich aufbauen. Abgesehen von der Frage ob das einen Sinn ergäbe, dürfte das weder in Chile noch bei uns in absehbarer Zeit möglich sein, zumal dazu ja auch noch die entsprechenden Produktionsanlagen für die Synthetisierung aufgebaut werden müssten. Chile will bis 2025 gerade einmal
5 GW Elektrolyseur-Kapazität
für die Wasserstoffproduktion aufbauen. Selbst wenn wir dann deren gesamte Produktion für die Herstellung von synthetischem Sprit aufkaufen könnten, könnte man damit ja noch nicht einmal 4% unserer Fahrzeugflotte bedienen. Man könnte den natürlich auch in dann homöopathischen Dosen dem herkömmlichen Sprit beimischen um dann zu verbreiten, das würde die Klimakatastrophe verhindern. Bei Flugzeugtreibstoffen spielt man schon laut mit dem Gedanken. Und der Bedarf für die Fliegerei käme dann ja auch noch dazu.
Man kommt zwar auch bei der Synthetisierung von Kraftstoff mit fortschreitender Technik im Laufe der Jahrzehnte zu etwas besseren Ergebnissen, die zugrunde liegende Technik zeigt hier aber auch nach über 20 Jahren noch enge Grenzen an:
Unsere Technologie kommt auf höhere Wirkungsgrade. Sie beträgt vom Einfangen des Stroms bis zur Energie am Reifen 20 Prozent oder etwas darüber.
Carl Berninghausen, CEO Sunfire ∙ © Sunfire
www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-an...etische-kraftstoffe/
Selbst wenn dem so ist, bleibt das ein grottenschlechter Wert. Und über den Wirkungsgrad bzw. den Primärenergiebedarf für die Herstellung von 1L Benzin/Diesel macht er sicher nicht ohne Grund lieber keine Angabe. Der gängige Wirkungsgrad liegt auch heute bei solchen Anlagen bei 40%-50%. Mit dem kommt man auch ziemlich einfach auch auf die behaupteten 20%, wenn man anstatt des Verbrenners einen Antrieb mit Brennstoffzelle einrechnet. Brennstoffzellen kann man ja auch mit Flüssigkraftstoff betreiben. Ob der Wirkungsgrad einige Prozent höher oder niedriger ausfällt, das ändert an der Größenordnung für eine zusätzlich benötigte Kraftwerksleistung zum weiterbetreiben der alten Verbrenner überhaupt nichts.
Ich denke, eine breitbandige Nutzung von synthetischem Sprit wäre bestenfalls mit Hilfe von Fusionskraftwerken möglich. Und die müssten dann noch extrem billigen Strom liefern. Mit Kernkraftwerken macht es auch keinen Sinn. Flutkatastrophen können inzwischen ja überall zu unvorhersagbaren Folgen führen. Und kein Mensch weiß, wann in einem von unseren Flüssen in Zukunft das erforderliche Kühlwasser für so ein Kraftwerk ausgehen würde. Die Wahrscheinlichkeit, für ernsthafte Störungen in Kernkraftwerken nimmt mit den Klimaänderungen auch zu. Un dass die Wahrscheinlichkeit von Naturkatstrophen in den nächsten Jahrzehnten mit fortschreitender Zeit immer nur zunehmen wird, das gilt inzwischen als sicher.
Es macht meiner Meinung nach auch keinen Sinn, LKW im Fernverkehr mit synthetischem Sprit zu betreiben. Auf der Schiene sind wesentlich effizientere E-Antriebe möglich, für die man kein Benzin und noch nicht einmal einen Akku braucht.
Man muss eigentlich kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Energiespeicherung im Akku alleine schon aus Effizienzgründen, einer Speicherung über synthetischen Sprit weit überlegen ist. Hinzu kommt noch, dass man den Akku vom Auto ins eigene Stromnetz mit einbinden könnte. Die erforderliche Elektronik dazu kostet fast nichts mehr. Intelligente Steuerungen zu programmieren gehört heutzutage in etlichen Sparten zum Tagesgeschäft. Da sind garantiert schon Konzepte dafür in der Entwicklung oder sogar fertig in der Schublade. Ich hab gerade gesehen, da sind sogar schon Prototypen in Verbindung mit Solarzellen im Einsatz. Solarzellen dürften irgendwann ja auch billiger werden als Dachziegel. Und prinzipiell dürfte sich ein Akku zu fast 100% recyceln lassen. Da ist ja nichts dran, was verloren geht. Unzureichend recyclebare Akkus würde ich sogar verbieten. Genau so, wie damals Kühlschränke mit FCKW. Akkus werden ja auch immer billiger. Von daher sollten dann noch in irgend einer Form deren Integration in die immer beliebter werdenden Balkon-Solaranlagen generell ermöglicht werden. Hier ließe sich sogar ziemlich einfach der Akku vom E-Bike mit in die Anlage integrieren, wenn es genormte Schnittstellen gäbe. Den dort immer erzielten Überschuss alternativlos dem Netzbetreiber unentgeltlich zum Weiterverkauf zur Verfügung zu stellen ist sicher die schlechteste Option. Bei den meisten Anlagen ist das auch noch der überwiegende Teil das erzeugten Stromes, weil die meisten Verbraucher im privaten Bereich tagsüber eher sporadisch Strom ziehen. Das bremst unnötigerweise die Motivation hinsichtlich Anschaffung und Weiterentwicklung solcher Anlagen. Was dann auch wieder schlecht für die Umwelt ist. Und es verhindert auch noch ganz nebenbei das ansonsten ganz von selbst und ohne Zusatzkosten entstehende Notstromaggregat für die noch anstehenden potentiellen Hochwasserkatastrophen. Das stünde auch nicht im Keller, wenn einmal Hochwasser käme und das Licht erst einmal aus ginge. Da sind jedenfalls noch innovative Lösungsmöglichkeiten gesucht, die sich aber sicher realisieren lassen würden. Das Clientel etlicher Politiker sieht das alles natürlich sehr ungern. Ich denke aber, Projekte und deren Entwicklung in der Art müsste man fördern. Und zwar bei uns.
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